Tour3

Eine Wanderung rund um Albrechts
Der Chronist schrieb zur Zeit der Gründung unseres Dorfes von der „thalhängischen Umgebung“ der kleinen Siedlung. Stellen wir uns vor, wie es damals hier ausgesehen hat, dann haben wir das Bild, dass rings um das Dorf in seiner heutigen Gestalt ein Hochwald mit uralten Fichten bis in die Talgründe der verschiedenen Straßen hinabreichte. In mühseliger, jahrzehntelanger Arbeit wurde dieser Wald gerodet, um die talhängigen, kargen Ackerflächen zu schaffen, die heute die nächste Umgebung von Albrechts bilden. Auf den Höhen hat sich der Wald erhalten, und es lohnt sich, eine Wanderung rund um Albrechts zu machen. In der Umgebung gibt es keine einzige Stelle, von der aus das Dorf in seiner Gesamtheit zu übersehen ist. Beginnen wir unsere Wanderung im Süden des Ortes.
Wir kommen aus dem Haseltal und biegen bei der Försterei Altertal von der einzigen Hauptverkehrsstraße rechts ab. So gelangen wir auf den Kälberberg. Von seiner Höhe aus haben wir einen verhältnismäßig umfassenden Blick auf das Dorf. Wir wandern weiter zum Heiligen Berg und biegen auf dem Heiligenstöckle, der Höhe zwischen Linsenhof und Albrechts, nach links ab zum Bock. Zur Rechten erhebt sich der Domberg. mit einem Turm. und einer beliebten Ausflugsgaststätte, zur Linken senkt sich die Hirtenwiese in lieblich anmutender Senkung zu Tale und endet an der Goldbachstraße. Neben der Hirtenwiese breitet sich rechts das Vorgelände des Vorderen Bocks aus. Unser Weg führt weiter auf halber Höhe des Vorderen. Bocks, von dem aus wir verschiedentlich einen Blick vom Nordosten aus auf unseren Ort genießen können.
Hatten wir bisher nur verhältnismäßig leichte Steigungen zu überwinden, so kommen wir bereits in das eigentlich talhängige Gelände in der näheren Umgebung des Dorfes. Die recht steil abfallende Schlucht zur Linken gestattet uns einen Blick auf das in der Ferne liegende Zentrum des Dorfes, während sich die Ausläufer der einzelnen Straßentäler unserem Blick mehr oder weniger verschließen. Wir wandern weiter zu den Toten Männern, einer kleinen und sehr bescheidenen Gedenkstätte aus dem 17. .Jahrhundert. Hier sind Fuhrleute an der Pest gestorben und begraben. Kleine, unscheinbare Gedenksteine erinnern an das Schicksal der, „toten Männer“.
Albrechts liegt links. Wir können durch den Gabelgrund in die Zellaer Straße hinunterwandern. Uns reizt jedoch der kleine Kammweg entlang der Höhe, der uns über den Fuchsstein zu der höchsten Erhebung in der Umgebung des Ortes führt: dem 752 Meter hohen Schwarzen Kopf. Auf unserem Weg dahin könnten wir auch durch den Zimmergrund – ebenso anmutig wie der Gabelgrund – in unser Dorf gelangen. Beide Talgründe treffen sich am Nordrande des Dorfes. Haben wir den Schwarzen Kopf erreicht, so belohnt uns bei klarem Wetter ein herrlicher Rundblick in die weitere Umgebung der Gemeinde. nach allen Richtungen. Im Norden liegt vor uns der Zella-Mehliser Grund, dessen jenseitiger Hang am Horizont in den eigentlichen Kamm des Thüringer Waldes mit dem uralten Rennsteig ausläuft. Im Westen grüßt aus der Ferne der bekannte GST-Segelflugstützpunkt Dolmar, eine Basaltkuppe, wie wir sie in den bei den Gleichbergen und jenseits der Werra in den zahlreichen Bergen der Rhön wieder finden.
Der geologisch interessierte Wanderer hat längst bemerkt, dass wir uns auf unserer Wanderung bisher ausschließlich im Gebiet des Buntsandsteins bewegten. Der Boden ist recht arm an Mineralien, danach richtet sich die Flora. Im Waldbestand herrscht die Fichte durchaus vor, nur gelegentlich durch eingestreute kleine Buchenbestände unterbrochen.
Vom Schwarzen Kopf gelangen wir über den Schäfersberg zum Aschenhof, einstmals Domäne, dann Ferienheim, heute Infektionsabteilung des Kreiskrankenhauses Suhl. Wir haben uns dem Dorf wieder sehr genähert. An dieser Stelle interessiert uns das zwischen dem Aschengrund und dem Zimmergrund gelegene Gelände, das in geologischer Hinsicht eine kleine kalksteinhaltige Insel in der Buntsandsteinumgebung bildet, die sich um das heute nur noch so genannte Altenfeld, gruppiert. Hier befanden sich in, früheren Jahrzehnten einige kleine Kalköfen, von denen heute jedoch kaum noch etwas zu finden ist. Jenseits des Aschenhofes, an der Straße nach Benshausen, befindet sich übrigens eine ähnliche derartige geologische Insel, ein kleines Zechsteingebiet, in dem unter anderen typischen Pflanzen die seltene Silberdistel. anzutreffen ist.
Da wir rund um Albrechts wandern wollen, setzen wir unseren Weg zunächst in den Seßlessgrund fort. Wir gelangen bald in das anmutige Tal mit seinen Teichen. Wenn wir weiter talabwärts wandern würden, kämen wir bei Dietzhausen in den Haselgrund. Bemerkenswert ist, dass sich zwischen den einige Kilometer weiter abwärts liegenden Orten Wichtshausen und Dillstädt eine geologische Grenze von Norden nach Süden erstreckt, die das Buntsandsteingebiet von dem westlich liegenden und bis ins Werratal reichenden. Kalkgebiet trennt. Wir schließen den Kreis unserer Wanderung, indem wir – von den Seßlessteichen kommend die sanfte Höhe des Mühlberges überqueren und so an den Ausgangspunkt unseres Rundganges, zur Försterei Altertal, gelangen.
Ereignisse von großer geschichtlicher Bedeutung haben sich in unserem kleinen Gebirgsdorf trotz seines verhältnismäßig hohen Alters nicht abgespielt. Es besitzt keine Denkmäler und Geburts- oder Sterbehäuser größer Männer. Dafür verfügt es über eine landschaftlich herrliche Umgebung in den sanften und so anmutsvollen Tälern und Höhen des Thüringer Waldes. Der Fremde, der aus der Ebene zu uns kommt, um schöne Urlaubstage zu verbringen, kann jeden einzelnen Tag mit Wanderungen in die reizvolle Umgebung ausfüllen. Er wird in der nächsten Umgebung immer wieder neue Eindrücke sammeln, gleichgültig; ob er seine Wanderungen in den frühen Morgenstunden oder im Laufe eines Nachmittags durchführt. Er wird außerhalb unseres Ortes kaum von Motorrädern oder Autos gestört und kann sich dem Naturerlebnis in einem herrlichen Stückchen des Thüringer Waldes ungestört hingeben, er atmet harz duftende, frische Luft, er erfreut sich an verträumten, kleinen Waldwiesen, an murmelnden Wildbächen, er genießt herrliche Ausblicke in die Ferne von den Höhen rund um Albrechts. Glücklich der Mensch der sich in unserer kämpferisch bewegten Zeit noch den Sinn für erholsam und besinnlich wirkende Natureindrücke erhalten hat! Er wird stets neue Kraft schöpfen aus bescheidenen, aber schönen Wanderungen in der Umgebung von Albrechts.

Paul Nottelmann

Ortsteil von Suhl im Thüringer Wald